Wertorientierte Führung meint, individuelle Werte als wichtigen Einflussfaktor für Wahrnehmen, Erleben und Verhalten zu verstehen und diese Erkenntnis in das eigene Führungsverhalten zu integrieren. Damit haben Führungskräfte ein wirksames Instrument in der Hand, um Arbeitsmotivation und Arbeitszufriedenheit zu fördern, leistungsfähige Mitarbeitende im Unternehmen zu halten und Konflikte zielführend zu lösen. Wertorientierte Führung ist deshalb ein zentraler Aspekt für Leadership 4.0. Was bedeutet wertorientierte Führung konkret? Das stelle ich im Folgenden dar.
Inhalt des Beitrags
Die eigenen Werte kennen und leben
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Dieser Aspekt bezieht sich auf Glaubwürdigkeit und Authentizität einer Führungskraft. Mitarbeitende in Projektteams erwarten von einer Führungskraft, dass sie sich entsprechend ihrer eigenen Ideale, Erwartungen und Vorgaben verhält, insbesondere, wenn diese klar kommuniziert sind z.B. in Mission Statements oder internen Regeln. Das bezieht sich zum einen auf die praktische Gestaltung der Zusammenarbeit und Kommunikation in einem Team oder einer Organisation. Fordert die Führungskraft Pünktlichkeit ein, kommt aber selbst ständig zu spät? Wünscht sich die Führungskraft konstruktives Feedback und erwartet innovative Ideen, hat aber selbst Schwierigkeiten andere Meinungen zu hören und stehen zu lassen? Zum anderen geht es um die Vorbildfunktion der Führungskraft. Lebt sie die Offenheit und Kooperationsfähigkeit, die sie von ihren Mitarbeitenden einfordert? Wie geht die Führungskraft mit eigenen Fehlern um? Wie reagiert sie auf Frust und Ärger? Wie steht es um die Work-Life-Balance der Führungskraft? Bei den Mitarbeitenden in einem Projektteam ist eine Führungskraft nicht mehr automatisch aufgrund ihres Status als Chef oder Chefin eines Teams oder eines Unternehmens als Führungskraft akzeptiert. Sie müssen ihre Kompetenzen als Führungskraft deshalb nicht nur an den betriebswirtschaftlichen Erfolgen messen lassen, sondern auch an der Anerkennung durch die Mitarbeitenden. Auch fachliche Kompetenzen wird ein Projektteam stets kritisch hinterfragen und einfordern, dass Entscheidungen, Vorgaben und Arbeitsaufträge begründet und erklärt werden. Wertorientierte Führung bedeutet, die eigenen Werte, Ideale und Erwartungen zu reflektieren und mit der Wirklichkeit abzugleichen, und die Anforderungen zu analysieren, die innerhalb der Organisation z.B. von Vorgesetzen oder Kunden an eine Führungskraft gestellt werden. Nur wenn eine Führungskraft ihre eigenen inneren Werte kennt, kann sie kongruent, d.h. in Übereinstimmung mit ihren eigenen Werten führen. Die eigenen Werte zu kennen ist die Voraussetzung für wertorientierte Führung. Gleichzeitig wird hier das Spannungsverhältnis zwischen wertorientierter Führung auf der einen Seite, und betriebswirtschaftlichen Anforderungen an Führungskräfte auf der anderen Seite deutlich. Das ist insbesondere dann eine Herausforderung, wenn Entscheidungen zu treffen sind, die bei Mitarbeitenden Widerstand oder Ängste auslösen, z.B. im Rahmen von Change-Prozessen. Mitarbeitende in Projektteams werden auch dann von ihrer Führungskraft erwarten, dass sie zu ihren eigenen Werten stehen, und Entscheidungen offen kommunizieren und diskutieren.
Werte der Mitarbeitenden beachten
In einer Organisation haben Führungskräfte es mit vielen unterschiedlichen Menschen zu tun. Unterschiedliche Generationen, unterschiedliche Kulturen, unterschiedliche Erfahrungen bedingen unterschiedliche Werte-Systeme. Diese Diversität müssen Führungskräfte berücksichtigen. So wird ein Mitarbeiter, für den die Werte Regelkonformität und Persönliche Sicherheit eine große Rolle spielen, von der Führungskraft etwas anderes erwarten als eine Mitarbeiterin für die die Werte selbstbestimmtes Handeln und Macht wichtig sind. Während der eine klare Regeln und Vorgaben erwartet, möchte die andere genügend Freiheiten, um eigene Ideen und Vorstellungen umsetzten zu können. Es gibt nicht den idealen Führungsstil oder das ideale Führungsverhalten. Führungskräfte müssen für eine wertorientierte Führung die unterschiedlichen Werte-Systeme ihrer Mitarbeitenden erkennen. Werden Werte der Mitarbeitenden dauerhaft verletzt, werden die betroffenen Personen nicht leistungsfähig sein. Ein Team oder eine Organisation nutzt dann nicht das ganze Potential der Mitarbeitenden oder verliert auf die Dauer die besten Mitarbeitenden. Auch Konflikte sind oft ein Hinweis auf verletzte Werte. Sie können die Arbeitsfähigkeit eines Teams oder einer Organisation als Ganzes gefährden. Im Gegensatz zu konstruktiven Konflikten, die zu neuen Ideen führen und das Team voranbringen können, wirken sich insbesondere Verteilungskonflikte (in denen z.B. über räumliche oder finanzielle Ressourcen gestritten wird) oder Beziehungskonflikte (in denen keine echte Sachfrage mehr zu lösen ist) langfristig auf den Erfolg eines Teams und damit der ganzen Organisation aus. Wenn die an einem solchen Konflikt beteiligten Mitarbeitenden unterschiedliche Werte haben, dann fällt die Kommunikation untereinander und mit der Führungskraft besonderes schwer. Hier müssen Führungskräfte Konflikte, vor allem, wenn sie verdeckt ablaufen, erkennen, ansprechen und Lösungen erarbeiten. Oft geht es nicht um Sachthemen, sondern um unterschiedliche Werte, die für Wahrnehmen, Handeln und Entscheiden relevant sind. So wird eine Mitarbeiterin, für die die Werte Sicherheit und Stabilität eine große Rolle spielen, nur schwer mit der kreativen und sprunghaften Arbeits- und Kommunikationsweise eines Kollegen zu Recht kommen, für den die Werte Stimulation und Selbstbestimmtes Handeln wichtig sind. Auch wenn Mitarbeitende im Blick auf das gemeinsame Ziel nicht zu einer Einigung kommen, oder die Verhandlung unterschiedlicher Lösungen nicht erfolgreich ist, sollte die Führungskraft eingreifen. Um die Funktionsfähigkeit der Organisation zu erhalten, müssen Führungskräfte entscheiden, ob die Mitarbeitenden einen Konflikt eigenständig lösen können, oder die Führungskraft gefordert ist. Führungskräfte sollten die unterschiedlichen Werte ihrer Mitarbeitenden als entscheidende Einflussfaktoren berücksichtigen. Dafür müssen sie zuhören und nachfragen, um die Unterschiedlichkeit ihrer Mitarbeitenden verstehen zu können.
Rahmenbedingungen für Kooperation schaffen
Komplexe Aufgaben lassen sich nur im Team lösen. Der Erfolg eines Teams oder eines Unternehmens hängt davon ab, ob Mitarbeitende zielführend miteinander kooperieren. Nur wenn unterschiedliches Wissen, unterschiedliche Erfahrungen, unterschiedliche Blickwinkel und Einstellungen aufeinandertreffen, verhandelt werden, und sich gegenseitig befruchten, sind innovative Lösungen und deren erfolgreiche Umsetzung möglich. Hier wird die Bedeutung von Diversität deutlich: Wenn unterschiedliche Werte-Systeme aufeinandertreffen, entsteht Raum für Innovation und Kreativität. Führungskräfte sollten die Kooperation der Mitarbeitenden untereinander deshalb einfordern und immer wieder klarmachen, dass Zusammenarbeit die Voraussetzung für Erfolg ist – und auch als Führungskraft Kooperationsfähigkeit vorleben. Wertorientierte Führung bedeutet, diverse Werthaltungen nicht nur wahrzunehmen, sondern auch als Bedingung für den Erfolg eines Teams zu fördern. Schon bei der Auswahl von Mitarbeitenden ist die Frage nach der Kooperationsfähigkeit zentral. Das bezieht sich zum einen auf die Kompetenz, mit anderen Menschen zusammenarbeiten zu können, eigenes Wissen zu teilen und gemeinsam eine Lösung zu erarbeiten, nimmt aber auch motivationale Aspekte in den Blick. Möchte eine Mitarbeiterin tatsächlich mit anderen zusammenarbeiten? Ist ein Mitarbeiter in der Lage die unterschiedlichen Werte andere Menschen nicht als Gefahr, sondern als Chance zu begreifen? Außerdem müssen Führungskräfte die Rahmenbedingungen für Kooperation beachten: Sind die Arbeitsaufgaben so gestellt, dass Kooperation notwendig und zielführend ist? Sind die Belohnungs- und Gehaltsstrukturen auf Kooperation ausgerichtet, oder werden Einzelkämpfer belohnt? Sind die zeitlichen und räumlichen Voraussetzungen gegeben, damit Kooperation möglich ist? Lässt der Führungsstil unterschiedliche Werthaltungen zu und fördert diese?
Direktes und wertschätzendes Feedback geben
Führungskräfte sind für die Entwicklung ihrer Mitarbeitenden verantwortlich. Das bezieht sich zum einen auf fachliche Aspekte, also z.B. die Frage, ob eine Mitarbeiterin einer Arbeitsaufgabe gewachsenen ist, oder weitere Kompetenzen notwendig sind, die durch Weiterbildungen oder Trainings erworben werden können. Zum anderen geht es um soziale, kommunikative und persönliche Kompetenzen. Das betrifft auch die Frage, ob die Mitarbeitenden in einem Team zueinander passen, sich ergänzen und gut zusammenarbeiten können. Wertorientierte Führung bedeutet, Feedback zu geben, und dabei die in Individualität der Mitarbeitenden ernst zu nehmen. Eine wichtige Aufgabe für Führungskräfte ist deshalb, regelmäßig Gespräche mit Mitarbeitenden zu führen, Arbeitsleistung zu bewerten, Entwicklungsmöglichkeiten zu identifizieren und diese dann auch anzustoßen. Mitarbeitende erwarteten ehrliches und wertschätzendes Feedback. Formale Bewertungsprozesse wie z.B. standardisierte Mitarbeitergespräche sind dafür in der Regel ungeeignet. Es geht vielmehr um direktes Feedback, das selbstverständlicher Bestandteil der täglichen Arbeit ist. Es sollte zeitnah möglich sein, und in direktem Zusammenhang mit der Arbeitsleistung stehen. Die Mitarbeitenden scheuen nicht mehr davor zurück, auch ihrer Führungskraft Rückmeldung zu geben und erwarten, dass dieses Feedback gehört und ernst genommen wird. Wenn das nicht möglich ist, nutzen die Mitarbeitenden Arbeitgeberbewertungsplattformen im Internet oder andere Social Media Plattformen um ihre Führungskraft oder ihr Unternehmen zu bewerten.
Erreichbar sein und Entscheidungen transparent machen
Führungskräfte müssen die Zukunft ihrer Organisation im Blick behalten. Der Erfolg einer Organisation hängt nicht nur von den inneren Voraussetzungen ab, also z.B. von effizienten Prozesse oder kooperativ arbeitenden Teams, sondern auch von den Anforderungen des Marktes. Führungskräfte müssen sich auch ständig fragen, ob die Lösungen, die sie für ihre Kunden zu bieten haben, vorhandene Probleme lösen. Die Wünsche und Bedürfnisse, die Kunden haben, ändern sich ständig und sind auch von gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen abhängig. Wenn Unternehmen diese Entwicklungen verschlafen, können sie keine angemessene Reaktion darauf planen und umsetzen. Um die Zukunftsfähigkeit zu sichern, müssen Führungskräfte deshalb auch die Konkurrenz im Blick haben, um notwendige Veränderungen rechtzeitig einleiten zu können und notwendige Entscheidungen treffen zu können. Das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit einer Organisation bezieht sich dabei zuerst auf die Kunden. Eine Organisation kann nur so lange erfolgreich sein, wie der Markt auf die gebotenen Lösungen vertraut. Dafür braucht ein Unternehmen aber notwendigerweise auch das Vertrauen der Mitarbeitenden in die Marktfähigkeit der eigenen Organisation und damit in die Führungskräfte. Das wird nur gelingen, wenn Führungskräfte transparent und offen, und gleichzeitig überzeugt kommunizieren. Wertorientierte Führung bedeutet deshalb, die Kommunikation mit Kunden und Mitarbeitenden als zentrale Führungsaufgabe zu verstehen. Die Führungskraft sollte erreichbar sein für ihre Mitarbeitenden und ihre Kunden, um deren unterschiedliche Werte-Systeme wahrnehmen zu können. Nur so wird es gelingen, Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln und zu vermarkten, die wirklich gebraucht werden. Das bezieht sich auf den Aspekt des Zuhörens, der oben schon genannt wurde. Mitarbeitende erwartet, dass Führungskräfte ansprechbar sind und Fragen, Ideen, Verbesserungsvorschläge oder Probleme hören und ernst nehmen. Gleichzeitig geht es aber auch um die Kommunikation von Entscheidungen nach außen (an Kunden) und nach innen (an Mitarbeitenden). Entscheidungen müssen transparent und nachvollziehbar sein, Mitarbeitende (und Kunden) möchten in Entscheidungen einbezogen oder zumindest informiert sein.