Wer in einem Unternehmen, einer Organisation was zu sagen hat, muss oft schnell und ohne Zögern handeln. Und wenn dann mal was schief geht? Reflektieren Menschen in Machtpositionen ihr Verhalten stärker als Menschen, die keine Macht haben – oder denken sie vielleicht gerade dann nach, wenn etwas schief gelaufen ist?
Diese Frage war Ausgangspunkt für vier Studien, die Kollegen aus Tübingen kürzlich im Journal of Experimental Social Psychology veröffentlichten. Die Studien zeigen: Mächtige Personen denken nach einem Misserfolg mehr über ihr Verhalten nach. So machen sich z.B. Führungskräfte nach einer misslungenen Besprechung mehr Gedanken, was sie hätten besser machen können, als das ihre Mitarbeitenden tun. Dies wird vor allem durch das Gefühl von Machtinhabern ausgelöst, mehr zum gemeinsamen Erfolg beitragen zu können. Als Konsequenz dieser Reflexion lernen Mächtige Personen auch mehr aus einem Fehler.
In einer der Studien wurden Führungskräfte und Mitarbeitende aus deutschen und amerikanischen Unternehmen gebeten, sich an eine Zusammenarbeit mit einem Mitarbeitenden zu erinnern, mit deren Ergebnis sie unzufrieden waren. Analog erinnerten sich die Mitarbeitenden an eine misslungene Zusammenarbeit mit Ihren Vorgesetzten. Anschließend gaben alle Teilnehmenden spontan ihre Gedanken an, die ihnen zu dieser Zusammenarbeit durch den Kopf gingen. Von Interesse waren hier besonders die Gedanken, die Alternativen zum eigenen Verhalten beinhalteten (z.B. Ich hätte das anders machen können, dann wären wir erfolgreicher gewesen.). Führungskräfte generierten mehr solcher Gedanken als die Mitarbeitenden. Allerdings war dies tatsächlich nur nach einem Misserfolg der Fall und nicht, solange es keinen solchen Misserfolg gegeben hatte. Drei weitere Experimente belegen, dass die zuvor beschriebenen Effekte durch Machtunterschiede ausgelöst wurden.
Ein Erklärung für den Einfluss der Macht ist, dass mächtig Personen tatsächlich auch die Möglichkeit haben, etwas zu ändern. Das Gefühl von Machtinhabern, mehr zum gemeinsamen Erfolg beitragen zu können, führt also zu mehr Reflexion über das eigene Verhalten. Als Konsequenz dieser Reflexion lernen Mächtige Personen auch mehr aus einem Fehler.
„Macht scheint also das Lernen aus Fehlern zu fördern“, bemerkt Dr. Annika Scholl, die die Studie durchgeführt hat. „Allerdings ist fraglich, was passiert, wenn sich mächtige Personen erst gar keinen Fehler erlauben können: Denken sie auch dann vorher über ihre Entscheidungen nach?“
Mein Tipp für die Praxis: Fragen Sie doch mal Ihre Mitarbeitenden nach einem Gespräch oder einem Meeting gezielt nach Feedback. Das beweist Offenheit und Mut, und kann dazu führen, dass Sie Ihr eigenes Verhalten reflektieren, auch wenn es gar nicht um einen Misserfolg geht.
Scholl, A., & Sassenberg, K. (2014). Where could we stand if I had…? How social power impacts counterfactual thinking after failure Journal of Experimental Social Psychology, 53, 51-61 DOI: 10.1016/j.jesp.2014.02.005