Kooperationsskript als Strategie für erfolgreiche Führung

Führung ist eine kooperative Situation. Führungskraft und Mitarbeitende sind in ihrer Kommunikation und in ihrem Verhalten auf einander bezogen. In diesem Beitrag stelle ich Ihnen das Konzept der Kooperationsskripts vor, also Annahmen, Erwartungen und Erfahrungen der Beteiligten darüber, wie Zusammenarbeit in unterschiedlichen Situationen abzulaufen hat. Ich erkläre,

  • warum sich manche Konfliktsituationen aus unterschiedlichen mentalen Kooperationsskripts ergeben,
  • was passiert, wenn interne und externe Kooperationsskripts nicht zueinander passen, und
  • wie Sie die Idee der Kooperationsskripts nutzen können, um Ihr eigenes Führungsverhalten zu reflektieren.

Was ist ein Skript

Ein Skript beschreibt Wissen darüber, wie bestimmte Situationen abzulaufen haben. Beispiel: Sie gehen ins Restaurant zum Essen. Ihnen ist klar, wie diese Situation „funktioniert“: Der Kellner bringt Sie zu Ihrem Tisch, dann erhalten Sie eine Speisekarte, Sie bestellen erst etwas zu Trinken, dann zu Essen … und so weiter. Am Schluss bezahlen Sie. Es wird erwartet, dass Sie Trinkgeld geben.

Was sind Kooperationsskripts?

Kooperationsskripts sind eine Idee aus der pädagogischen Psychologie. Es geht um die Frage, wie Kooperation gestaltet werden muss, damit sich alle Lernenden aktiv beteiligen. Kooperationsskripts definieren dabei einzelne Aufgaben und Handlungsabläufe und geben spezifische Rollen vor. Kooperationsskripts wurden zuerst Face-to-Face für das Lernen von Texten eingesetzt. Sie sequenzieren die Lernaktivitäten, steuern eine ständig wechselnde Rollenverteilung und geben Lernstrategien vor. Auch beim Lernen mit digitalen Medien werden Kooperationsskripts eingesetzt. Hier liegt ein Fokus auf der Koordination der medienvermittelten Kooperation. Interne Kooperationsskripts beziehen dabei auf die Skripts, die eine Person „im Kopf hat“, beziehen sich also auf Erwartungen und Erfahrungen, wie eine kooperative Situation abzulaufen hat. Externe Kooperationsskripts beziehen sich auf Vorgaben von außen, wie die Zusammenarbeit strukturiert werden soll.

Kooperation als Theaterstück

Die Struktur eines Kooperationsskripts lässt sich in Analogie zu einem Theaterstück beschreiben. Daraus ergeben sich vier Komponenten:

  • Spiel: Um welches „Spiel“ geht es (z.B. gemeinsam einen Text schreiben oder möglichst viele Ideen sammeln)? Daraus ergeben sich Erwartungen über die Abfolge der „Szenen“ und der notwendigen Rollen.
  • Szene: Szenen beziehen sich auf die einzelnen Situationen des „Spiels“ (Argument und Gegenargument). Was kommt wann?
  • Ablauf: Die einzelnen Aktivitäten innerhalb einer Szene haben einen festgelegten Ablauf (z.B. Argument nennen und dann Beweise vortragen).
  • Rolle: Rollen beschreiben, wer welche Aufgaben übernimmt und organisieren so die Zusammenarbeit. Rollen erstrecken sich meistens über mehrere Szenen und umfassen mehrere Aktivitäten.

Kooperationsskripts für Führung.

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Das lässt sich auf Führung übertragen. Bei jeder Führungssituation haben die Beteiligten bestimmte Kooperationsskripts im Kopf. Dabei können wir die folgende Regeln annehmen.

Das Handeln der Beteiligten in einer kooperativen Situation ist immer durch interne Skripts geleitet. Diese sind dynamisch, passen sich also der wahrgenommenen Situation an und den Zielen, die die Handelnden haben.

Das bedeutet für Führung: Machen Sie sich klar, dass Ihre Mitarbeitenden bestimmte Erwartungen daran haben, wie ein Situation ablaufen wird, welche Verhaltensweisen zielführend und welche Rollen und Aufgaben die Beteiligten haben.

Beispiel: Ich möchte eine neue Besprechungskultur etablieren und starte deshalb jeden Morgen ein kurzes Line-Up-Meeting, um alle im Team auf den gleichen Stand zu bringen. Leider läuft das Meeting regelmäßig aus dem Ruder, weil Einige hier eine Bühne für die Selbstdarstellung sehen, und ausschweifend über die Erfolge des letzten Tages berichten, statt offene Punkte und aktuelle Aufgaben anzusprechen. Ihr internes Skript dieses Meetings ist also ein anderes als das Ihre.

Neue interne Skripte ergeben sich aus einer Neu-Konfiguration bereits vorhandener Skripte. Wenn das verwendete interne Skript für das Verständnis und Handeln nicht hilfreich ist, wird dessen Konfiguration geändert.

Das bedeutet für Führung: Wenn Sie neue Formen der Zusammenarbeit etablieren oder neue Führungsstrategien ausprobieren möchten, berücksichtigten Sie die bereits bestehenden internen Skripte. Nutzen Sie, was bereits da ist.

Beispiel: Sie haben auf einem Seminar neue Strategien für lösungsorientierte Gespräche kennengelernt, die Sie einsetzen, als ein Mitarbeiter Sie bei einer konkreten Fragestellung um Ihre Entscheidung bittet. Anders als erwartet reagiert Ihr Mitarbeiter aber eher verärgert, als Sie statt zu entscheiden, seine Fähigkeiten aktivieren möchten.

Externe Kollaborationsskripte ermöglichen Verständnis und Handeln in einer kooperativen Situation, für die noch keine passenden interne Kooperationsskripts vorliegen. Dazu wird die automatisierte Verwendung (unpassender) interner Skriptkomponenten verhindert bzw. die Anwendung passender interner Skriptkomponenten angeregt. Ein externes Kooperationsskript ist dann am effektivsten, wenn es auf bereits vorhandenen internen Kooperationsskripts aufbaut und bereits vorhandenen Komponenten nutzt.

Das bedeutet für Führung: Es ist Ihre Aufgabe als Führungskraft, kooperative Situationen bewusst zu gestalteten, insbesondere dann, wenn die Mitarbeitenden noch keine passenden Strategien zur Verfügung haben. Damit verhindern Sie, dass unpassende oder nicht-effiziente interne Kooperationsskripts eingesetzt werden.

Beispiel: Sie nutzen eine WhatsApp-Gruppe, um Ihrem verteilt arbeitenden Projektteam Möglichkeiten zum schnellen Austausch zu geben und alle auf den aktuellen Stand zu halten. Schnell wird die WhatsApp-Gruppe auch für den privaten Austausch genutzt und für das Verschicken von aufmunternden und witzigen Bildern, Filmen und Sprüchen. Das trägt einerseits zum Zusammenhalt und zur Motivation im Team bei, ist bei den mittlerweile 20 Mitarbeitenden in der Gruppe aber auch reichlich zeitintensiv.

Fazit

Die Beispiele zeigen: Das Wissen um die Funktionsweisen von internen Skripts kann dazu beitragen, Führungssituationen zu reflektieren. Wenn Sie eigene und fremde Skripte wahrnehmen, insbesondere wenn sie sich widersprechen, verstehen sie kooperative Situationen besser. Durch die bewusste Gestaltung von Kooperation können Sie an bestehende interne Kooperationsskripte anknüpfen oder durch externe Skripte neue Verhaltensweisen anregen.

Quellen und weiterführende Literatur

Fischer, F., Kollar, I., Stegmann, K., & Wecker, C. (2013). Toward a script theory of guidance in computer-supported collaborative learning. Educational Psychologist, 4, 56-66. http://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/00461520.2012.748005

Die Beitrag wurde zuerst veröffentlicht auf wissensdialoge.de

Wer schreibt hier?

Johannes ist Professor für Wirtschaftspsychologie in Stuttgart und Geschäftsführer der ich.raum GmbH. Er schreibt auf ichraum.de zu den Themen Coaching, Führung und Psychologie.

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