Ein inneres Team identifizieren und für Veränderung nutzen

Die Konzeption des “Inneren Teams” wurde erstmals im Jahr 1998 von Schulz von Thun veröffentlicht. Ein vergleichbares Modell namens Voice Dialogue wurde von Hal und Sidra Stone entwickelt. Dieser Ansatz verwendet die Metapher eines Teams mit vielfältigen Persönlichkeiten, um mentale Prozesse verständlich zu machen. Das innere Team dient dazu, den Coachee dabei zu unterstützen, Widersprüche zu erkennen, Vor- und Nachteile von Entscheidungen abzuwägen sowie innere Konflikte, persönliche Werte und Bedürfnisse zu klären.

Die Personifizierung von einzelnen Aspekten, Rollen, Lösungsmöglichkeiten oder Ideen ermöglicht eine Art Sitzung des inneren Teams, was zur Klärung beiträgt. Der Coachee kann eine beobachtende Rolle einnehmen und die Ideen des inneren Teams als Anregungen nutzen, ohne unmittelbar entscheiden oder handeln zu müssen. Sobald bestimmte Teammitglieder und ihre Bewertungen handlungsleitend werden, entstehen konkrete Rollen. Die inneren Teammitglieder können daher auch als Rollen oder Teile einer Persönlichkeit betrachtet werden.

Die Effektivität der Arbeit mit dem inneren Team zeigt sich besonders, wenn sie als kreativer und spielerischer Prozess verstanden wird. Das Team kann je nach Fragestellung unterschiedlich zusammengesetzt sein, und die einzelnen Teammitglieder sollten nicht als feste Persönlichkeitsanteile, Eigenschaften, Gefühle oder Verhaltensweisen betrachtet werden, sondern als Hilfsmittel, um eine Frage aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, Widersprüche aufzudecken und neue Ideen zu generieren.

Das innere Team identifizieren – Ein Rahmenmodell

Um mit dem inneren Team arbeiten zu können, muss der Coachee zunächst die einzelnen Teammitglieder identifizieren, deren Meinung gehört werden soll. Dazu ist etwas Kreativität notwendig, der Coachee muss „Lust haben“, sich auf diese Arbeit einzulassen und mit der Idee des inneren Teams zu experimentieren.

Vielen Coachees erleichtert es den Einstieg in die Arbeit mit dem inneren Team, wenn der Coach ein Modell für mögliche innere Rollen vorschlägt. Der Coachee kann dann im ersten Schritt diesem Vorschlag folgen, die einzelnen Teammitglieder für sich adaptieren und im nächsten Schritt eigene Ideen ergänzen. Ich habe dazu auf Basis der Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan und dem Führungskonzept Leadership Agility ein Rahmenmodell entwickelt. Dieses Modell eignet sich insbesondere zur Arbeit mit Führungskräften, die das eigene Führungsverhalten und die zugrunde liegenden Werte reflektieren möchten. Das Modell geht zunächst von den drei Grundbedürfnissen Nähe, Autonomie und Kompetenz aus als Grundlage für intrinsische Motivation. Wenn diese drei Bedürfnisse befriedigt sind, erlebt der Coachee sich als selbstbestimmt und „im Einklang“ mit sich selbst.

Das Modell von Deci und Ryan erinnert an die Bedürfnispyramide von Maslow, die auch viele Coachees kennen. Maslow hat ein Stufenmodell für Motivation entwickelt, das auf der untersten Stufe physiologische Bedürfnisse (Essen, Trinken, Schlafen) und auf der obersten Stufe das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung (bzw. Transzendenz in einer späteren Version). Der entscheidende Unterschied zum hier vorgestellten Modell ist die nicht hierarchische Anordnung der drei Grundbedürfnisse. Außerdem geht Maslow von Mangelbedürfnissen aus, die irgendwann befriedigt sind – die Grundbedürfnisse Nähe, Kompetenz und Autonomie sind eher als Wachstumsbedürfnisse zu verstehen, die dauerhaft aktiviert sind.

Die individuellen Werte eines Menschen „nähren“ diese drei Grundbedürfnisse. Sie müssen bei allen Menschen gestillt werden. Das dahinter liegende Wertesystem ist allerdings hoch individuell. So können z.B. sowohl Werte wie Leistung, Macht oder Erfolg Grundlage für das Erleben von Kompetenz sein, genauso die Werte Abenteuer oder Familie.

Ein inneres Team identifizieren und für Veränderung nutzen Die Konzeption des "Inneren Teams" wurde erstmals im Jahr 1998 von Schulz von Thun veröffentlicht. Ein vergleichbares Modell namens Voice Dialogue wurde von Hal und Sidra Stone entwickelt. Dieser Ansatz verwendet die Metapher eines Teams mit vielfältigen Persönlichkeiten, um mentale Prozesse verständlich zu machen. Das innere Team dient dazu, den Coachee dabei zu unterstützen, Widersprüche zu erkennen, Vor- und Nachteile von Entscheidungen abzuwägen sowie innere Konflikte, persönliche Werte und Bedürfnisse zu klären.
Ein inneres Team identifizieren und für Veränderung nutzen Die Konzeption des "Inneren Teams" wurde erstmals im Jahr 1998 von Schulz von Thun veröffentlicht. Ein vergleichbares Modell namens Voice Dialogue wurde von Hal und Sidra Stone entwickelt. Dieser Ansatz verwendet die Metapher eines Teams mit vielfältigen Persönlichkeiten, um mentale Prozesse verständlich zu machen. Das innere Team dient dazu, den Coachee dabei zu unterstützen, Widersprüche zu erkennen, Vor- und Nachteile von Entscheidungen abzuwägen sowie innere Konflikte, persönliche Werte und Bedürfnisse zu klären.

Zwischen den drei Grundbedürfnissen liegen drei zentrale Führungsrollen – Experte, Macher und Integrator. Die Grafik verdeutlicht die Zusammenhänge.

  • Die Rolle Experte liegt zwischen den Grundbedürfnissen nach Kompetenz und Autonomie. Sie fokussiert auf ein konkretes Problem und entwickelt darauf aufbauend Lösungen. Dabei geht sie taktisch vor, und kann damit das Grundbedürfnis nach Nähe nicht ansprechen.
  • Die Rolle Integrator vermittelt zwischen den Grundbedürfnissen nach Nähe und Kompetenz. Sie bringt Experten zusammen, geht dabei visionär vor und fokussiert auf die Entwicklung von Personen und Organisationen. Diese Rolle ist komplementär zum Grundbedürfnis nach Automonie. Entwicklung ist aus Sicht einer Führungskraft nur mit einem Blick auf das Ganze möglich.
  • Die Rolle Macher adressiert das Grundbedürfnis nach Autonomie, um strategisch und mit Fokus auf das Ergebnis zu handeln. Das ist im organisationalen Kontext nur möglich wenn gleichzeitig das Bedürfnis nach Nähe befriedigt wird. Diese Rolle ist dabei komplementär zum Grundbedürfnis nach Kompetenz. In der konkreten Umsetzung ist die Kompetenz einzelne Personen nicht mehr direkt identifizierbar – oder läuft sogar gegen Meinung, Wissen oder Ratschlag einzelner Personen.

Die Kombination mit der Selbstbestimmungstheorie macht dabei zwei Aspekte klar:

  • Die konzeptuelle Trennung von Werten und Bedürfnissen verdeutlicht, dass es einerseits Grundbedürfnisse gibt, die bei allen Menschen in ähnlicher Weise vorhanden sind, die konkrete Ausgestaltung in einem stimmigen Wertesystem aber andererseits in hohem Maße individuell ist.
  • Die zentralen Grundbedürfnisse Kompetenz, Nähe und Autonomie werden von den Führungsrollen in unterschiedlicher Weise „genährt“. Es gibt keine Rolle die alle drei Grundbedürfnisse in gleicher Weise befriedigen kann. Es gibt kein „ideales“ Führungsverhalten – es können immer nur zwei von drei Grundbedürfnissen gleichzeitig genährt werden, gleichzeitig muss ein drittes Grundbedürfnis jeweils vernachlässigt werden.  

Die drei Führungsrollen sind im Modell der Leadership Agility zunächst als „äußere Rollen“ angelegt und damit ein Modell für Führungsverhalten. Eine Führungskraft kann durch entsprechende Verhaltensweise die Bedürfnisse der Geführten adressieren und so in der Konsequenz Motivation, Arbeitszufriedenheit und Leistung fördern. Gleichzeitig sind die Rollen auch als innere Rollen im Sinne der inneren Teammitglieder im Modell des inneren Teams zu verstehen. Hier liegt der Fokus auf den Grundbedürfnissen einer Führungskraft, die sie ebenfalls auf Basis des eigenen Wertesystems adressieren kann. Damit ergibt sich aus den drei Führungsrollen auch ein Modell für die psychische Gesundheit einer Führungskraft.

Auch die Ich-Zustände aus der Transaktionsanalyse bieten einen Zugang zum inneren Team und können ein Rahmenmodell für die Identifikation der inneren Teammitglieder sein. 

Inneres Team für Coaching nutzen

Das innere Team eignet sich als Coaching-Methode, um Haltung und Einstellung zu einem Thema zu klären, das eigene Werte-System zu verstehen, und unterschiedliche Perspektiven und Handlungsoptionen zu explorieren. Das innere Team ist damit zunächst eine Methode, mit welcher der Coachee innere Prozesse explorieren kann. Im nächsten Schritt ergeben sich daraus konkrete Strategien, Lösungen oder Verhaltensweisen. Als Coach sollten Sie bei der Arbeit mit dem inneren Team Ihres Coachee auf die folgenden Aspekte achten:

  • Als Coach nehmen Sie die Rolle als wertschätzender Prozessbegleiter des Coachee ein. Es ist nicht Ihre Aufgabe als Coach, unbewusste Anteile oder Widersprüche aufzudecken, oder einzelne Verhaltensweisen oder Einstellungen des Coachee zu identifizieren oder gar zu bewerten. Insbesondere, wenn Sie als Coach selbst von einem ähnlichen Anliegen betroffen sind, laufen Sie sonst Gefahr, Ihr eigenes inneres Team mit dem des Coachee zu verwechseln. 
  • Ihr Coachee ist zu jeder Zeit der Chef des inneren Teams. Er entscheidet, wer wann gehört wird, und welche Meinung oder welche Vorschläge für seine Fragestellung hilfreich sind. Zentral für den Erfolg der Arbeit mit dem inneren Team ist es, als Team-Chef zunächst eine zuhörende, beobachtende Position einzunehmen, und erst im zweiten Schritt zu entscheiden, was konkret umgesetzt werden könnte. Darin liegt die Chance, neue und bis jetzt unbekannte Perspektiven zu entdecken und die Ideen der Teammitglieder als Ressource nutzen zu können.
  • Die Arbeit mit den unterschiedlichen Teammitgliedern setzt beim Coachee die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme voraus. Damit der Coachee die einzelnen Teammitglieder als von einander abgrenzbarer Perspektiven wahrnehmen kann, ist es hilfreich, die inneren Teammitglieder mit Bodenankern im Raum zu verorten, oder unterschiedliche Stühle zu nutzen, auf die sich der Coachee reihum setzt. Außerdem muss der Coachee das innere Team als hilfreiches Bild akzeptieren können und Spaß daran haben, die eigenen Teammitglieder zu identifizieren und deren Perspektive wahrzunehmen.
Es kann passieren, dass sich der Coachee als „Spielball“ seines inneren Teams erlebt und die damit verbundenen Widersprüche als belastend und störend empfindet. Dann ist hilfreich, die Rolle als Führungskraft oder Chef des inneren Teams zu betonen: Der Coachee entscheidet, wer wann gehört wird, er bewertet und integriert die einzelnen Aspekte und entscheidet über das weitere Vorgehen.

Quellen und weiterführende Literatur

Schulz von Thun, F. (1998). Miteinander reden 3 – Das ‘innere Team’ und situationsgerechte Kommunikation. Reinbek: Rowohlt.

Webseite zum Thema Voice Dialogue http://www.voice-dialogue-berlin.de/ Joiner, W. B., & Josephs, S. A. (2006). Leadership agility: Five levels of mastery for anticipating and initiating change. Hoboken: John Wiley & Sons.

Wer schreibt hier?

Johannes ist Professor für Wirtschaftspsychologie in Stuttgart und Geschäftsführer der ich.raum GmbH. Er schreibt auf ichraum.de zu den Themen Coaching, Führung und Psychologie.

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