Einander verstehen | Grounding-Strategien für erfolgreiche Gespräche

Die Nachricht, die ein Sender mitteilen möchte, soll vom Empfänger verstanden werden – idealerweise so, wie der Sender die Nachricht auch gemeint hat und verstanden haben möchte. Dass das nicht immer so ist, werden Sie selbst schon oft erlebt haben. Dann reden die Kommunikationspartner aneinander vorbei, es gelingt nicht, sich gegenseitig zu verstehen. Der Psychologe und Linguist Herbert H. Clark verwendet den Begriff Common Ground, um zu beschreiben, welche Voraussetzung für gute Kommunikation gegeben sein muss. Common Ground meint gemeinsames Wissen, gemeinsame Überzeugungen und Annahmen der beteiligten Gesprächspartner. Damit wird die Basis für ein erfolgreiches Gespräch geschaffen.

Wie entsteht Common Ground?

Common Ground sind die Annahmen der Gesprächspartner über das gemeinsame Wissen. Er wird während eines Gesprächs ständig überprüft und hergestellt. Dazu muss sowohl der Inhalt der Kommunikation (das, worüber geredet wird) als auch der Prozess der Kommunikation (wie, wo und wann ein Gespräch stattfindet) koordiniert werden. Dieser Prozess ist in der Regel unbewusst. Er findet ständig statt, ohne dass die Gesprächspartner bewusst darauf achten müssen. Clark nennt diesen Prozess Grounding. Die Kommunikationspartner stellen gemeinsam sicher, dass ein Common Ground für die Kommunikation besteht. Grounding ist also ein kooperativer Prozess: Beide Kommunikationspartner sind gemeinsam darum bemüht, so zu kommunizieren, dass ein gegenseitiges Verstehen möglich ist.

Wie funktioniert Grounding?

Um den bestehenden Common Ground zu überprüfen, achtet jeder genau auf die Reaktionen des Kommunikationspartners. Daraus lässt sich ableiten, ob gegenseitiges Verständnis besteht. Es gibt Möglichkeiten und Strategien, um gegenseitiges Verstehen sicherzustellen. Diese wenden Menschen in der Regel automatisch an, ohne bewusst darauf zu achten oder diese Strategien gezielt einzusetzen.

  • Paraphrasieren: Der Empfänger gibt das Gesagte in eigenen Worten wieder.
  • Unterstreichende Gesten: Der Empfänger unterstreicht mit Gesten, dass das Gesagte verstanden wurde, z.B. durch zustimmendes Nicken, Zeigen auf ein referenziertes Objekt, Lenken des Blicks.
  • Teilsendungen: Die Gesprächspartner bestätigen sich Schritt für Schritt, dass eine Beschreibung verstanden wurde. Das passiert zum Beispiel, wenn der eine Gesprächspartner einen Weg beschreibt, und der andere jeden Teilschritt bestätigt oder wortwörtlich wiederholt. (Lena: „An der ersten Ampel fährst du rechts.“ Leonce: „Ok, rechts.“)
  • Referenzüberprüfung: Der eine Gesprächspartner legt, nachdem eine neue Referenz eingeführt wurde, eine kurze Gesprächspause ein, und wartet, ob der andere verstanden hat und bestätigt oder korrigiert. Damit wird sichergestellt, dass das Gesagte verstanden wurde, oder ob nochmals wiederholt werden muss. (Lena: „Die rote Kanne (Referenz) gefällt mir gut!“ Pause. Leonce: „Die neben der grünen Tasse?“)
  • Wortwörtliche Wiedergabe: Vor allem Adressen, Telefonnummern oder andere Daten werden wortgetreu wiederholt und so wichtiger Inhalt bestätigt.
  • Buchstabieren: Entscheidende Wörter werden durch den Sprecher selbst oder den Gesprächspartner buchstabiert und vom Anderen bestätigt

Drei Grounding-Strategien

Um sicher zu stellen, dass die Gesprächspartner das Gesagte verstehen, verwenden Menschen Grouding-Strategien. Diese helfen zu erkennen, worin ein Missverständnis liegen könnte.

Einige Strategien und Möglichkeiten haben Sie schon kennengelernt. Oft handelt es sich um offensichtliche und deutliche Rückmeldungen, die in Gesprächen auch explizit erfragt werden. Auch Ausdrücke wie „Ja“, „Mmmm“ oder „Ah, ok“ gehören zu dieser Form der expliziten Rückmeldung. Die unterschiedlichen Möglichkeiten zur Rückmeldung (verbal oder nonverbal) werden auch Backchanneling genannt: Der Zuhörer gibt der Sprecherin zu verstehen, dass er sie verstanden hat. Dabei wechseln die Rollen nicht, der Zuhörer bleibt in seiner Rolle als Zuhörer. Ein weiterer Hinweis auf erfolgreiches Grounding ist, ob der Gesprächspartner mit einer relevanten und passenden Antwort reagiert, einer Bitte nachkommt oder auf eine Aufforderung reagiert. Ist die Antwort oder Reaktion auf eine Frage oder Aussage angemessen, weist das darauf hin, dass Sprecherin und Zuhörer sich verstehen. Ist die Reaktion unangemessen, wird klar, dass unterschiedliche Annahmen über den Common Ground bestehen. Die Sprecherin wird also nachfragen, erklären oder korrigieren. Und schließlich ist die ununterbrochene Aufmerksamkeit, die der Zuhörer der Sprecherin entgegenbringt, ein Hinweis auf erfolgreiches Grounding. Wenn sich der Zuhörer abwendet, den Blickkontakt abbricht oder etwas anderes tut, kann kein Grounding stattfinden. Diesbezüglich sind Menschen in der Regel sehr sensibel und versuchen die Aufmerksamkeit der Gesprächspartner wieder herzustellen, bevor sie weiterreden. Diese drei Strategien wenden Menschen mehr oder weniger automatisch in jedem Gespräch, in jeder Kommunikation an. Zusätzlich beschreibt Herbert Clark drei Daumenregeln (Heuristiken). Diese Daumenregeln helfen abzuschätzen, welche Informationen Common Ground sind. Sie beeinflussen, wie ein Gespräch gestaltet wird und sie erleichtern Grounding.

  • Bisheriges Gespräch: Alle Informationen, die im bisherigen Gespräch (oder auch in vorherigen Gesprächen) ausgetauscht wurden, werden als bekannt und verstanden vorausgesetzt.
  • Community Membership: Die Zugehörigkeit der Gesprächspartner zu einer bestimmten Gruppe (z.B. Seminar-Teilnehmende oder Arbeitskollegen oder Biologen) ist ein Indikator für gemeinsame Annahmen über den bestehenden Common Ground. So wird den Satz „Die Coaching-Übungen sind spannend.“ nur ein Mitglied der Community der Seminar-Teilnehmenden auf Anhieb verstehen, für einen anderen Adressaten müsste der Satz anders formuliert sein.
  • Geteilte Umwelt: Die physische Umwelt in der sich die Gesprächspartner befinden wird als Common Ground vorausgesetzt. Ich kann also auf Objekte und Gegenstände referenzieren („Schau mal, das rote Ding da.“) und davon ausgehen, dass der Gesprächspartner mich versteht.

Wenn die Gesprächspartner allerdings auf Basis dieser Daumenregeln fälschlicherweise annehmen, dass gemeinsame Annahmen über den Common Ground bestehen, kommt es zu Missverständnissen. Das Konzept des Common Ground kann dabei helfen, menschliche Kommunikation besser zu verstehen. Dabei geht es zunächst nur um den eigentlichen Inhalt einer Nachricht und um die Information, die vermittelt werden soll. Dahinter steht die Annahme, dass Kommunikation zunächst der Austausch von Nachrichten, von Informationen ist. Dafür müssen die Gesprächspartner ständig Grounding betreiben, also sicherstellen, dass sie sich gegenseitig verstehen.

Grounding als Kommunikationsstrategie

Das Modell beschreibt Kommunikation und bietet ein Werkzeug, das Ihnen hilft, Kommunikation besser zu verstehen.

Grounding einsetzen

  • Achten Sie darauf: Wer ist mein Gesprächspartner? Was weiß er schon? Welchen Hintergrund hat er oder sie?
  • Achten Sie auf verbale und nonverbale Signale bei Ihrem Gegenüber, die Verstehen oder Missverstehen nahelegen.
  • Stellen Sie durch Nachfragen sicher, dass Ihr Gegenüber Sie verstanden hat.
  • Berücksichtigen Sie, dass die Daumenregeln Sie auch in die Irre führen können.
  • Nutzen Sie Metakommunikation, z.B. um Missverständnisse gezielt anzusprechen.

Gescheitertes Grounding

Grounding ist ein Prozess, der im Alltag ständig und unbewusst abläuft.

  • Achten Sie in einem Gespräch einmal bewusst darauf, welche Grounding-Strategien Sie anwenden.
  • Welchen Einfluss hat der Inhalt des Gesprächs auf Ihre Grounding-Strategien?
  • Wie ändert sich Grounding, wenn sich die Gesprächspartner gut kennen?

Überlegen Sie:

  • Wo in Ihrem Alltag haben die Daumenregeln für Common Ground Sie in die Irre geführt?
  • Haben Sie oder Ihr Gesprächspartner fälschlicherweise angenommen, bisher Gesagtes wäre Common Ground?
  • Wurden trotz der Zugehörigkeit der Gesprächspartner zu einer bestimmten Gruppe manche Informationen nicht verstanden?
  • Wo haben Referenzen auf Objekte in der geteilten Umwelt nicht funktioniert?

Einander verstehen | Grounding-Strategien für erfolgreiche Gespräche Kommunikation ist dann gut, wenn sich die beteiligten Kommunikationspartner verstehen. Das Modell des Grounding, bzw. Common Ground beschreibt, was die Vorrausetzungen für Verstehen sind.

Quelle

Clark, H. H., & Brennan, S. E. (1991). Grounding in communication. Perspectives on socially shared cognition, 13, 127-149.

Kommunikation ist dann gut, wenn sich die beteiligten Kommunikationspartner verstehen. Das Modell des Grounding, bzw. Common Ground beschreibt, was die Vorrausetzungen für Verstehen sind.

Wer schreibt hier?

Johannes ist Professor für Wirtschaftspsychologie in Stuttgart und Geschäftsführer der ich.raum GmbH. Er schreibt auf ichraum.de zu den Themen Coaching, Führung und Psychologie.

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